Goetz von Thadden
Corona
ich verstecke mich im sonnigen Garten
unter den rosa Blüten des duftenden Apfelbaums
auf dem die schwarze Amsel balzend singt
und lausche der Stille der Viren im Nichts
die Viren leben auch in Toten weiter
weshalb sie virtuell beerdigt werden
der Pfarrer predigt vom heimischen Lehnstuhl
und die Freunde gruppieren sich dazu im Netz
isoliert in Milliarden kleiner Welten
sehen wir dem Virus nur bedingt ins Gesicht
berühren ertasten und streicheln ihn nicht
für viele ist Mitleid durch Filter getrennt
steht der Bildschirm zwischen uns und den Kranken
Leid rührt wie der kippende Reissack in China
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Vierzig Tage
sitzt man jeden Morgen auf der weißen Bank
über Wochen trinkt Kaffee raucht Pfeife
und schaut auf den verträumten Frühlingsgarten
dann wird Unvergessliches daraus werden
wohin mich die Sehnsucht auch treiben wird
keine Vögel werden so singen wie diese
keine Bienen so summen im Apfelbaum
und nie wieder Blüten so lieblich duften
Corona wird immer mein Garten sein
ein lächelnder Schoß der mich behütet
wie Stacheln des Igels auf den die Sonne scheint
doch irgendwann wird die Zeit weitergehen
in Freiheit nach vorn zu immer Neuem
und ein Stück Nostalgie wird geboren sein
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Tag der Befreiung
wird es ein heiliger Tag sein
an dem wir den Virus besiegen
das Wunder zugelassen wird
das Mittel in das Handeln kommt
werden die Kirchenglocken läuten
die Menschen tanzend durch die Straßen ziehen
Fremde sich um den Hals fallen
weil unbegrenzte Freiheit wieder möglich ist
oder ziehen wir den grauen Anzug an
vergessen den Regenschirm nicht
und gehen wortlos ins Büro zurück
an jenem Dienstag im November